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PFLEX.live am 22. Juni 2021: Fachkräftesicherung in der (Alten-)Pflege – Myra Mani berichtet aus der Praxis
Zu Beginn machte Frau Mani erst einmal deutlich, dass Fachkräftegewinnung seit 40 Jahren ein Thema in Deutschland ist. Die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland sei für sie „ein Herzensthema“. Ihre Mutter, die Gründerin des Pflegedienstes vor 21 Jahren, war selbst zur Ausbildung aus Indien nach Deutschland gekommen. Daher weiß das Familienunternehmen aus erster Hand, wie es ist, zur Ausbildung oder zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen. Auf diesen ganz persönlichen Erfahrungen können Sie bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte aufbauen.
Bereits 2011 begann der Pflegedienst Mani Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben. Zu dieser Zeit waren private Kontakte in das Ausland, insbesondere nach Portugal, sehr hilfreich. Gemeinsam mit Universitäten und Behörden wurde ein Netzwerk aufgebaut. Viele Besuche vor Ort sollten das Image Deutschlands im Ausland pflegen.
Der große Erfahrungsschatz, der durch die Gewinnung von fast 30 Fachkräften aus dem Ausland aufgebaut wurde, hat den Prozess der Fachkräftegewinnung für den Pflegedienst stark verändert: Beispielsweise sei es heute nicht mehr empfehlenswert, Fachkräfte ohne Sprachkenntnisse zu gewinnen. Inzwischen wird im Herkunftsland ein Sprachkurs für das B2-Sprachniveau absolviert. Unverändert geblieben sind hingegen die notwendigen Behördengänge. Bei Fachkräften aus dem Europäischen Ausland sei dies etwas einfacher, da diese sich in Deutschland aufhalten und arbeitend dürfen. Da es sich bei Pflegefachkräften jedoch um eine geschützte Berufsgruppe handelt, muss zur Anerkennung der Ausbildung immer eine Gleichwertigkeitsprüfung erfolgen. Dabei wird geprüft, ob die theoretischen und praktischen Ausbildungsanteile den Vorgaben in Deutschland entsprechen. Ist einer der Teile nicht ausreichend, wird gegebenenfalls noch eine Anerkennungsprüfung oder ein Anerkennungspraktikum erforderlich. Der Anerkennungsprozess kann viel Zeit in Anspruch nehmen, das weckt Misstrauen und Unsicherheiten, „…aber diese muss man aushalten“, berichtet Frau Mani.
Bei allen Prozessen sei es das wichtigste sich klarzumachen, dass man keine Fachkräfte, sondern neue Menschen ins Unternehmen holt. Ob das Vorhaben gelingt und die neuen Mitarbeiter*innen sich gut in das Unternehmen einfinden, steht vor allem mit der persönlichen Einstellung, nicht mit der Nationalität in Verbindung!
Welche Vorteile durch ausländische Fachkräfte sieht Frau Mani in Ihrem Unternehmen?
Welche Tipps kann sie aus der Praxis mitgeben?
Aufwand im Blick haben! Das ganze Verfahren ist sehr aufwändig, daher sollte das ganze Team mit ins Boot geholt werden.
Unterstützung holen! Welcome-Center, die es inzwischen in vielen Städten gibt, können hilfreich sein.
Unterstützung bei der Wohnungssuche leisten! Ideal ist ein möbliertes Zimmer oder Wohnung. Bei unsicheren Vermietern hat die Firma Überzeugungsarbeit und Zusage von Sicherheit geleistet.
Qualifikation beachten! Rekrutierte Fachkräfte sollten auch entsprechend ihrer Qualifikation beschäftigt werden. Sie zunächst als Hilfskräfte zu beschäftigen ist enorm demotivierend.
Deutsch sprechen ist Pflicht! Im Unternehmen wird nur am Anfang Englisch gesprochen, um Missverständnisse zu vermeiden. Ansonsten ist es für alle im Unternehmen verpflichtend deutsch zu sprechen, damit sich niemand ausgeschlossen fühlt.
Anerkennung des Führerscheins! Bei Fachkräften aus dem nicht-europäischen Ausland kommt die Anerkennung des Führerscheins hinzu, dieser muss defacto nachgeholt werden. Für diese Mitarbeitenden wurden anfangs „Lauftouren“ konzipiert.
Bieten Sie Praktika an! Beispielsweise muss am Ende der Ausbildung in ein viermonatiges Praktikum absolviert werden. Der Pflegedienst Mani ermöglichte, dieses in ihrem Unternehmen zu absolvieren. So lernten die künftigen Fachkräfte den Pflegedienst und die Region kennen und haben sich danach teilweise ganz normal beworben.
Zum Ende unseres PFLEX.live-Austausches hatten die Teilnehmenden natürlich noch die Möglichkeit Fragen an Frau Mani zu stellen. Darunter waren beispielsweise:
Wir kann man der Angst, dass die ausländischen Fachkräfte durch Klient*innen abgelehnt werden, entgegenwirken?
Aufklärungsarbeit leisten! Informieren Sie Ihre Klient*innen darüber, dass es sich um ausgebildete Fachkräfte handelt. Sprechen Sie offen die Sorgen der Klient*innen an, nehmen sie diese aus und klären sie gegebenenfalls. Versuchen sie die Nationalität nicht in den Fokus zu stellen. Bei besonders kritischen oder ablehnenden Personen deutlich aufzeigen: Soll eine Versorgung durch den Pflegedienst stattfinden, dann wird auch eine Fachkraft mit ausländischen Wurzeln eingesetzt. Alternativ kann eine Versorgung nicht erbracht werden.
Wie genau sieht die Zeitschiene bei der Gewinnung ausländischer Fachkräfte aus?
Der Zeitraum aller Vorbereitungen bis zum Tag, an dem die Fachkraft da ist, liegt bei etwa einem Jahr. In den ersten drei Monaten ist eine intensive Betreuung erforderlich. Auch der Familiennachzug ist sehr intensiv, besonders bei der Rekrutierung aus Drittstaaten (z.B. Bosnien, Indien). Der Einarbeitungsprozess ist hingegen nach 2-3 Wochen abgeschlossen.
Lohnt es sich, wenn sich einige kleine Pflegedienste zur Gewinnung von Fachkräften zusammenschließen?
So ein Vorgehen wäre wünschenswert. Neben der Möglichkeit die Kosten zu teilen, können viele Themen nur von einem Konsortium bewältigt werden. Synergie- und Vernetzungseffekte zu nutzen, kann definitiv von Vorteil sein.