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8. März - Feiertag der verpassten Fachkräftepotentiale

Auch 2022 gibt es international, aber auch national noch große Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Wir wollen den Tag nutzen, um auf diese auch hierzulande aufmerksam zu machen und sie in den europäischen Vergleich einzuordnen.

Denken wir an die Gleichstellung von Frau und Mann, fallen uns oft als Erstes die Unterschiede bei der Bezahlung ein. Zu Recht! Auch in unserer modernen und eigentlich schon recht gleichgestellten Gesellschaft gibt es unbegründete Einkommensunterschiede für die gleiche Tätigkeit. Aktuell liegt dieser Unterschied bei durchschnittlich 18 % und hat sich damit im Vergleich zu 2006 (also in 15 Jahren!) lediglich um 5 Prozentpunkte verkleinert (DeStatis Pressemitteilung Nr. 088). Der Equal Pay Day – der Tag, der auf Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen aufmerksam macht, war am 07.03.2022. Das heißt, unsere Kolleginnen haben bis gestern quasi für Lau gearbeitet. Ist das fair? Wohl kaum. Zum Vergleich: Die Einkommenslücke in der EU betrug 2018 15 %. Von unseren Nachbarländern stehen Luxemburg (2018: 1 %), Belgien (2018: 6 %) und Polen (2018: 9 %) am besten da. Gemeinsam mit Österreich und der Tschechischen Republik reiht sich Deutschland leider in das Schlusslicht ein. Größer ist der Unterschied nur noch in Estland (2018: 22 %) (DeStatis Gender Pay Gap 2020). Gleichwohl weisen wir an dieser Stelle darauf hin, dass die Einkommensunterschiede nicht nur aufgrund des Geschlechts zustande kommen. Vielmehr spielen weitere Faktoren, wie die Branche und das Arbeitszeitmodell, eine Rolle, die sich infolge geschlechtsspezifischer Rollenzuschreibungen weiter manifestieren. Auch die in Paarbeziehungen gelebte Arbeitsteilung zeigt auf, dass es oftmals Frauen sind, die die Familie organisieren oder Angehörige pflegen (vgl. Lott et al. 2022: 34). Sie betreuen die Kinder, aber auch ältere pflegebedürftige Verwandte. Daher arbeiten sie öfter als Männer in Teilzeit oder lediglich in vollzeitähnlicher Beschäftigung.

 

Und da sind wir schon beim Thema Berufswahl. Frauen arbeiten viel öfter als Männer in Wirtschaftszweigen wie dem Gesundheits- oder Sozialwesen. Aber auch die Bereiche Erziehung und Unterricht sowie Einzelhandel sind von Frauen dominiert (vgl. DeStatis Erwerbsbeteiligung von Frauen nach Beruf) Alles Branchen, die meist schlechter bezahlt werden und das, obwohl spätestens seit Beginn der Coronapandemie jeder weiß, dass dies die Berufe sind, die unsere Gesellschaft am Leben erhalten; eben systemrelevant sind. Die letzten beiden Jahre haben die Wichtigkeit dieser Berufe hervorgehoben und die berechtigte Frage aufgeworfen, warum Berufe mit und für Menschen – zumindest auf dem Gehaltszettel – weniger wert sind, als Berufe mit Maschinen. Gerade in der Pflege, so zeigen Erfahrungen aus PFLEX SACHSEN, sorgen die steigenden Belastungen durch die Pandemie, den Pflegenotstand und fehlender gesellschaftlicher Wertschätzung dafür, dass immer mehr Menschen den Beruf verlassen. Darunter auch viele Frauen, da diese durch die oft zusätzliche private Sorgearbeit noch weiteren Belastungen ausgesetzt sind.

 

Selbst wenn Frauen in Führungspositionen tätig sind, finden sich Unterschiede – sowohl im Gehalt, als auch in der Repräsentanz im Vergleich zum Frauenanteil in der Belegschaft. Der IAB-Kurzbericht 1/2022 belegt dies kurz und knapp. In privatwirtschaftlichen Unternehmen arbeiteten 2020 durchschnittlich 43 % Frauen. Aber nur 27 % der Führungskräfte auf der ersten Ebene (z.B. Geschäftsleitung) waren weiblich. Besser sieht es auf der zweiten Führungsebene aus. Der Frauenanteil an operativen Führungskräften lag dort bei 40 %. Wenig überraschend: Auch auf diesen beiden Ebenen finden wir Frauen am häufigsten im Gesundheits- und Sozialwesen sowie beim Erziehen und Unterrichten – also in „ihren“ Branchen – wieder. Und wie sieht es jetzt in „typischen Männerberufen“ aus? Wie es aktuell zu erwarten war! Für 2018 weist das statistische Bundesamt die Frauenanteil in Führungspositionen für 13 Branchen aus. Besonders im Maschinenbau, Baugewerbe und bei der Energieversorgung waren nur ca. 10 % der Führungspositionen von Frauen besetzt (DeStatis Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland nach Branchen 2018). Allerdings entspricht dies auch in etwa ihrem Anteil an der Gesamtbelegeschaft. Sowohl bei den Beschäftigten allgemein, als auch in den Führungsebenen ist also noch Luft nach oben. Es gilt also, die „Gläserne Decke“ zu durchstoßen und Frauen den Weg in höhere Führungsebenen zu ermöglichen – indem eben auch auf die private Sorgearbeit und der dafür notwendigen Teilzeitarbeit geachtet wird. Diese sollte eben kein Ausschlusskriterium für eine Führungsposition sein.

 

Aber können es sich Unternehmen überhaupt noch leisten, Führungspositionen aufgrund von männlich oder weiblich zu vergeben? Diese Frage stand 2020 erstmalig im Mittelpunkt eines ATB-Projektes In „WoMen – Powerfrauen für Sachsens Wirtschaft“ wurden explizit weibliche Nachwuchsführungskräfte auf ihre neue Position vorbereitet. In unserer reinen Damenrunde befähigten wir sie zu den Themen, die wir mittlerweile zu unseren Klassikern zählen: Selbstorganisation und sichere Kommunikation im Führungsalltag, Personalführung, selbstsicheres Auftreten und Präsentieren sowie Konfliktmanagement. Bei der praktischen Umsetzung wurden die Teilnehmerinnen (Mentees) durch einen Mentor oder eine Mentorin aus ihrem Unternehmen begleitet. An der Abschlussveranstaltung nahmen diese dann gemeinsam mit ihren Mentees teil. Bei dieser geschlechtsübergreifenden Diskussion kamen wir zu dem Schluss, dass viele (sächsische) Unternehmen oft händeringend Führungspositionen besetzen müssen. Besonders auf der ersten Führungsebene (Stichwort Unternehmensnachfolge) sei dies schwierig. Nicht, weil es nicht genügend Personen im passenden Alter oder mit den benötigen Fähigkeiten gäbe, sondern weil – so die These des Tages – immer weniger (jüngere) Menschen bereit seien, Verantwortung über ihr eigenes Handeln hinaus übernehmen zu wollen. Denn „Führung“ bedeutet neben Macht und Verfügungsgewalt auch: Verantwortung für das Handeln, aber auch die Gesundheit meiner Mitarbeitenden zu übernehmen. Diese These fanden wir so spannend, dass wir gemeinsam mit der AOK PLUS das Programm „Führung bewegt – Gesundheit.Gemeinsam.Gestärkt.“ ins Leben riefen. Übrigens: Rund 56 % der Teilnehmenden waren Frauen.         

 

Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat mit der Richtline „Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation: Leistungen und Potenziale sichtbar machen, Sichtbarkeit strukturell verankern“ erkannt, dass auch in der Wissenschaft Potentiale ungenutzt bleiben. Fern ab der Privatwirtschaft, finden sich ebenfalls Geschlechterunterschiede. Wie in den Ausbildungsberufen gibt es auch in den Universitäten „typisch weiblich und typisch männliche“ Studienfächer. Die Anteile von weiblichen und männlichen Studierenden in verschiedenen Disziplinen sind klar definiert: MINT-Fächer werden hauptsächlich von Studenten (WS 2019/20: ca. 69 %) und Fächer der Human- und Sozialwissenschaft überwiegenden von Studentinnen (WS 2019/20: ca. 60 %) besucht. Obwohl bspw. rund 64 % der Studierenden und der wissenschaftlichen Hilfskräfte in Soziologie bzw. den Geisteswissenschaften weiblich sind, sind 61 % der Professor*innen männlich. Das ist natürlich auch dadurch begründet, dass Frauen – historisch betrachtet – noch gar noch so lange studieren dürfen. Aber auch aktuelle Verbleibsstudien zeigen, dass lediglich 25 % der Soziologiestudentinnen eine wissenschaftliche Laufbahn einschlagen, obwohl rund 55 % von ihnen provomieren (Stand: 2018). Die Lücken innerhalb der „typisch männlichen“ MINT-Fächer sind noch größer. Im Wintersemester 2019/2020 waren hier nur 31 % Studentinnen eingeschrieben. Dieser Wert spiegelt sich auch beim wissenschaftlichen Personal (31 % weiblich, 69 % männlich) und Promotionen (32 % weiblich, 68 % männlich) wieder. [vgl. vgl. DeStatis Bildung und Kultur – Studieren an Hochschulen Fachserie 11 Reihe 4.1] Warum ist das so? Hier gibt es bereits verschiedene Überlegungen. Auch in diesem Zusammenhang hört man oft etwas von der „Gläsernen Decke“ oder auch vom Unterschied, dass Frauen es nicht so sehr auf eine Karriere absehen wie Männer. Aber stimmt das? Dass es Wissenschaftlerinnen gibt, steht außer Frage. Nur sieht man sie zu wenig. Es mangelt an weiblichen Vorbilder, wie der Chemikerin Dr. Mai Thi Nguyen Kim oder der Ärztin PD Dr. Özlem Türeci, die gemeinsam mit ihrem Mann Biontech gründete. Nicht jeder muss ins Fernsehen und auf YouTube. Die Vorbildfunktion lässt sich auch an der Uni verwirklichen – auch wenn ein wenig Prominenz nicht schaden kann. Wir versuchen natürlich auch unseren Teil zur Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen beizutragen. Mal durch Publikationen, mal durch den direkten Kontakt zu Unternehmen und mal durch die intensive Zusammenarbeit mit (Fach-)Hochschulen. Studentinnen und natürlich auch Studenten können jederzeit gern ihr Praktikum bei uns absolvieren oder als wissenschaftliche Hilfskraft tätig werden.

 

Wir von der ATB haben in mehreren Projekten festgestellt, dass die Bereitschaft für mehr Beteiligung von Frauen in sächsischen KMU hoch ist, es aber durchaus noch strukturelle Barrieren gibt. Diese Barrieren wollen wir mit unseren Angeboten aufweichen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn auch Sie mehr Frauen als Fach- und Führungskräfte gewinnen wollen. Aber egal, ob weiblich, männlich oder divers – ein gutes Miteinander ist für alle zur persönlichen Entfaltung und Entwicklung im und somit des Unternehmens wichtig. Die Firmenkultur ist dabei entscheidend:

 

  • Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitenden über die aktuelle Unternehmenskultur
  • Was sind Hindernisfaktoren auf dem Weg in eine Führungsposition
  • Schätzen Sie konstruktive Kritik! Sie wird Sie, Ihre Mitarbeitenden und Ihr Unternehmen voranbringen

Veranstaltungen

Wir begleiten Sie mit Forschung, Beratung und Qualifizierung in den Handlungsfeldern: